Corona Krise verführt Airlines zur „Vernachlässigung“ der IT

In unserer Reportagenreihe haben wir heute einen ganz besonderen Gast, der in der Softwareentwicklung und in den innovativen Technologien zu Hause ist. Wir möchten einige ausgewählte Themen im Schatten von Corona ansprechen und uns seine Expertenmeinung einholen.

Hallo André. Ich habe mir sagen lassen, Du entwickelst gerne Software ?

Hallo Murat. Ich bin Anfang der 2000´er Jahre von Berlin nach Frankfurt gezogen um Software für einen international agierenden deutschen Luftfahrtkonzern zu implementieren. Daraus hat sich dann mit der Zeit unsere Firma byte innovations Gmbh entwickelt, der ich als Geschäftsführer vorstehe. Mittlerweile sind wir 13 hochqualifizierte Mitarbeiter, die alle mit einer bestimmten Aufgabe wie Software Entwicklung, IT Support oder Projektmanagement vertraut sind. Dennoch ist jeder von uns flexibel genug, die Aufgaben des anderen zu übernehmen. Und ja, ich entwickle noch immer gerne Software.

Da die Krise in aller Munde ist, kann ich mir folgende Frage nicht verkneifen: welche Auswirkungen wird die Corona-Krise deiner Meinung nach auf die Softwareentwicklung haben ?

Prinzipiell wird sich an der Art und Weise, wie wir Software entwickeln, erstmal nicht viel ändern, außer dass wir jetzt öfter im Homeoffice sind. Es wird zu dem mehr virtuell gemietet, da sich die entsprechenden Teams stärker virtuell organisieren müssen. Bedeutet es werden Tools wie MS Teams, Slack oder Trello (um nur einige zu nennen) einen stärkeren Zulauf bekommen. Die machen natürlich gerade viel Werbung und möchten sich Marktanteile sichern.

Wie Du schon angedeutet hast, hat die Krise ein weiteres, IT relevantes Thema hervorgebracht: das Homeoffice. Wird sich das Homeoffice dauerhaft etablieren ?

Wir für uns machen jetzt alle Homeoffice und dies wird auch eine Weile so bleiben. Auch alle anderen Branchen, die es sich leisten können, im Homeoffice zu arbeiten, arbeiten von zu Hause aus. Eine Standardisierung des Homeoffice ist bereits im Gange. Aus den Medien kann nachverfolgt werden, dass die meisten Unternehmen an einer –wenn man so will-  nachhaltigen Heimarbeitlösung interessiert sind. Dies hat nicht zuletzt finanzielle Vorteile, denn wenn ich 30% meiner Mitarbeiter wechselhaft im Homeoffice habe, kann ich die restlichen 70%, die an jenem Tag an Ihrem Präsenzarbeitsplatz sind, mit 2/3 der ursprünglichen Fläche zufriedenstellen.  Ich kann komplette Büros schließen und die Mitarbeiter auf ein einziges Büro verlagern. Das funktioniert und bringt auch mindestens die gleiche Qualität wie vorher.

Warum musste die Welt erst eine solch weitreichende Krise erleben, damit Homeoffice endlich eine Option wird ?

Es gab viele Vorbehalte über das Homeoffice, von wegen die Mitarbeiter würden nur im Internet surfen und nur „eigenes Zeug“ machen – als ob es im Büro anders ist (lacht). Die Realität sieht dann etwas anders aus. Wenn ein Mitarbeiter ständig im Internet surft oder ständig Dinge tut, die nicht innerhalb der Arbeitszeit getan werden sollten, wird er seine Aufgaben nicht fertig bekommen, was letzten Endes Folgereaktionen von Vorgesetzten mit sich bringen wird. Andererseits kann auch im Büro nicht jede Minute vollständig produktiv genutzt werden, denn auch da kann man sich mal beim Kaffeeholen mit einem Kollegen unterhalten, um einfach den Kopf von einer stressigen Alltagssituation frei zu schaufeln. Das muss dann halt auch mal sein. Oder kann sich jemand vorstellen, 8 Stunden am Tag vor dem Bildschirm zu sitzen und vollends produktiv zu sein? Von daher ist Homeoffice ein Faktor, der -wenn gut organisiert –die Mitarbeiter glücklicher macht und somit die Produktivität gleichzeitig erhöht, von Mieteinsparungen für weiträumige Büros ganz zu schweigen.  Das ist letzten Endes auch das, was wir gesehen haben. Wir haben keinerlei Produktivitätseinbüßen vermeldet.

Die Luftfahrt musste im letzten Jahr einiges durchmachen. Doch es geht wieder bergauf.

Kommen wir zur Luftfahrt, die ja gerade einiges durchmacht. Welche Auswirkungen der Krise spürt ihr als Luftfahrt- Dienstleister?

Man spart zuerst an uns (lacht). Im Endeffekt ist die Corona Pandemie eine komplette Katastrophe. Die Einlastung ist deutlich unter 50 %. Interessant ist, dass der Anspruch der Kunden an der IT nicht gesunken ist, trotzdem wollen und können sie nun weniger Geld für diese ausgeben. Das müssen wir auch verstehen, die Luftfahrt Branche musste Milliarden an Euro für Tickets zurückzahlen, zu dem müssen Flugzeuge noch funktionstüchtig gehalten werden, das kostet auch etwas. Klar, dass das Geld dann an anderer Stelle knapp wird. Allerdings wird sich die finanzielle „Vernachlässigung“ der IT bemerkbar machen, wenn die Luftfahrt wieder Fahrt aufnimmt. Denn es werden z.B. manche Buchungssysteme plötzlich einen Tag lang nicht mehr funktionieren, weil bestimmte Module nicht aktualisiert werden konnten. Wir werden also häufiger IT Ausfälle haben, damit müssen aber alle eine Weile leben

Wann glaubst Du wird die Airline Branche wieder einen Aufschwung erleben ?

Ich denke gerade im aktuellen Sommer ist ein Aufschwung im Gange. Nach langem „Entzug“ möchten nun sehr viele Bürgerinnen und Bürger wieder in den Urlaub fliegen. Das wird ein positiver Ruck für die Airlines sein. Ich denke es wird spürbar bergauf gehen. Auf das ganze Jahr 2021 gesehen werden die Airlines aber natürlich noch kein Vor-Corona Niveau erreichen, dies wäre frühestens 2022 der Fall, wobei auch das noch fraglich ist. Große Airlines, die viele Business Kunden hatten, wissen dass sie wohl erst 2023 auf dem neuen Normalniveau, auch new normal genannt, sein werden. Ich denke die Anzahl der Gäste wird bis 2023 sukzessive steigen.

Die beste Frage zum Schluss. Es ist sehr verführerisch, finanzielle Kürzungen zuerst an der IT durchzusetzen, da sie in den letzten Jahrzehnten zum großen Posten herangewachsen ist. Gibt es andererseits Gründe, warum man besser nicht an der  IT sparen sollte ?

Da würde ich alleine schon die Sicherheitsbedenken berücksichtigen. Denn Hacker sind immer aktiv, egal ob das Unternehmen Geld für IT hat oder nicht. Auch die Software entwickelt sich weiter, alles was heute nicht aktualisiert und weiterentwickelt wird, wird morgen nachgeholt werden. Zu dem schläft die Konkurrenz nicht, es gibt durchaus Luftfahrtunternehmen die dafür Sorge tragen, dass Ihre IT die Krise relativ stabil überstehen.  Die heutigen Sparmaßnahmen werden den Airlines leider später nachhängen. Von daher werden die IT Kosten nur in die Zukunft verschoben. Zu dem gibt es IT Konstrukte, die für Einsparungen z.B. durch Prozessoptimierungen sorgen, diese fallen während der Krise ebenfalls weg. Es werden also neue Probleme in der Zeit nach Corona entstehen.

Es ist wie bei nicht durchgeführten KFZ Wartungen. Für eine Weile geht alles gut und man spart bares Geld, wenn allerdings z.B. der Motor plötzlich versagt, weil der Ölfilter lange Zeit nicht ausgetauscht wurde, dann entstehen weitaus mehr Kosten als die entsprechenden Wartungen.

André Baradari ist Gründer des Tech Unternehmens byte innovations gmbh, das sich auf moderne Softwareentwicklung spezialisiert hat. Insbesondere in der Luftfahrt hat sich das Spezialunternehmen seit zwei Jahrzehnten bewährt sowie darüber hinaus innovative Lösungen für Elektro-Ladesäulen sowie Videoüberwachung mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) entwickelt. Laut André sind weitere Zukunftsprojekte in den Startlöschern.

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Seit über einer Dekade in der IT, davon ein gutes Stück im Projektmanagement, habe ich mich entschlossen, für mich und einige meiner schreibfreudigsten Experten-Freunden eine Plattform zu eröffnen, um unser Wissen und unsere Meinungen über aktuelle Themen -im technologischen Kontext- weiterzugeben. Scheut euch nicht Kontakt aufzunehmen, wenn Ihr Fragen habt ! Grüße, Murat.

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